“Oh, die spielen aber schön!”
Das ist ein Satz, den man ganz oft auf der Hundewiese hört. Die Frage ist aber, ob das immer so ist. Wie ist das denn mit dem Spielen bei Hunden und wie kannst du erkennen, ob es sich vielleicht nicht mehr um “normales” Hundespiel unter Vierbeinern handelt? Diese Fragen möchte ich in diesem Blogartikel beantworten.
Warum spielen Hunde
Für die Spielentwicklung ist es ganz normal, dass Hunde spielen, d.h. Spielverhalten zeigen Jungtiere vieler verschiedener Tierarten. Bei den Säugetieren sind es sogar über 90% der Tierarten.
Warum aber spielen erwachsene Hunde?
Tatsächlich ist diese Frage von der Wissenschaft noch nicht abschließend geklärt worden. Es gibt aber die Annahme, dass es mit der Selektion auf Neotonie in der Hundezucht zusammenhängt. Neotonie ist die Beibehaltung jugendlicher Merkmale im Erwachsenenalter.
Spielentwicklung bei Welpen
Zunächst möchte ich die Spielentwicklung bei Welpen näher beleuchten, also wie entwickelt sich das Spiel bei Welpen überhaupt?
Da Welpen grundsätzlich in einem Wurf, also mit mehreren Geschwisterhunden geboren werden, haben sie von Beginn an gleichaltrige Spielkameraden.
Bis zur 2. Lebenswoche gibt es unter Welpen aber noch überhaupt kein Spiel, da die Augen und Ohren noch verschlossen sind. Aber schon ab der 3. Lebenswoche verbringen Welpen dann fast ihre ganze Zeit, abseits von Schlafen und Fressen, mit Spielen.
Dieses äußert sich am Anfang mit viel Maulringen, d.h. der Welpe reißt das Maul auf und rangelt mit den Geschwistertieren. Dann geht das Spiel in Spielkämpfe über oder in solitäres Spiel, d.h. der Hund spielt auch alleine.
Ab der 4. bis 5. Lebenswoche des Welpen kommen dann gemeinsames Objektspiel und dann Jagdspiele hinzu, d.h. andere Objekte werden für die Welpen interessant und in das (gemeinsame) Spiel mit einbezogen.
Gründe für das Hundespiel
Das Spiel der Hunde hat viele Funktionen.
Zunächst einmal macht das Spiel einfach Spaß. Denn beim Spiel werden verschiedene Hormone im Hund ausgeschüttet, wie z.B. Dopamin, Oxytocin und Endorphin. Dass das Spiel so viel Spaß macht, verrät uns also auch gleichzeitig, wie wichtig Spiel (für das Überleben) ist. Sonst würde dieses Verhalten nicht gezeigt werden.
Spiel ist aber tatsächlich nicht dazu da, die “Rangordnung zu klären” oder Jagen und Kämpfen zu erlernen. Zwar werden Elemente des Ernstverhalten als Spiel eingebaut. Welpen zeigen das Ernstverhalten aber auch schon, bevor sie es im Spiel zeigen.
Vorteile des Sozialspiels
Wo ist das Spielen unter Hunden denn überhaupt gut, wenn es keine Übung für das Jagen oder Kämpfen darstellt?
Das Sozialspiel, also das Spielen mehrerer Hunde miteinander, ist einer der wichtigsten Faktoren für die Sozialisation des Tieres. Es verbessert damit
- seine Kommunikationskompetenz,
- die Impulskontrolle,
- die Konfliktfähigkeit,
- die Empathie und
- die Kooperationsbereitschaft.
Außerdem hat der Hund durch das Spiel die Möglichkeit, die Kontrolle über den eigenen Körper zu verbessern und die Ausdauer zu trainieren.
Das Spiel an sich macht außerdem widerstandsfähiger, z.B. gegen Stress und sorgt für mehr Kreativität und Flexibilität beim Hund.
Somit ist das Spielen an sich ein wahres Multitalent. Übrigens nicht nur unter Hunden. Auch das Sozialspiel zwischen dir und deinem Hund ist sehr wertvoll.
Was spielen Hunde
Hunde zeigen im Spiel Elemente des Jagd-, Kampf- oder Sexualverhaltens. Dabei handelt es sich aber nur um eine Art Rollenspiel und kein Ernstverhalten. Der Hund tut also nur so “als ob” er sich in einer Situation befindet, für die Jagdverhalten, Kampfverhalten oder sexuelles Verhalten erforderlich ist.
Was die Hunde dabei spielen, ist ganz unterschiedlich und zwar sowohl hinsichtlich der Spielpartner als auch sonstigen Umstände.
Hunde spielen sowohl alleine (solitär) als auch mit Partnern zusammen (sozial). Das gilt, wie bereits erwähnt, sowohl für das Spiel mit anderen Hunden oder Tieren, als auch für das Spiel mit Menschen. Dabei kann das Spiel ohne oder mit Objekten stattfinden.
Was die Spielpartner angeht, sind Hunde aber relativ eigen. So spielen sie lieber mit Artgenossen der gleichen Rasse als mit Hunden anderer Rassen.
Dabei gibt es bereits bei Welpen schon große Rasseunterschiede, was gespielt wird. So zeigen z.B. Huskys schon früher Verfolgungsspiele als Golden Retriever.
Häufige Spielformen
Es gibt ganz unterschiedliche Spielformen, die Hunde beim Spiel nutzen.
Zum einen ist das solitäre Objektspiel zu nennen, d.h. der Hund spiel z.B. alleine mit seinem Spielzeug und benötigt keinen Spielpartner zum Spiel.
Auch beim solitären Bewegungsspiel kommt der Hund alleine aus. Als Beispiel sei da die Situation genannt, dass der Hund mit Spielgesicht einige Kreise fetzt, also schnell läuft und springt.
Auf der anderen Seite gibt es auch einige soziale Rauf- und Verfolgungsspiele, die man immer wieder sehen kann. Hier sind einige Beispiele:
- Sich gegenseitig nachjagen
- Maulrangeln und Spielbeißen
- Eine Stelle spielerisch verteidigen
- Spielkampf
- Zergeln
Spiel erkennen
Gordon M. Burghardt, Professor für Psychologie und Evolutionsbiologie an der Universität von Tennessee, hat folgendes zu der Frage, was Spiel überhaupt ist, gesagt:
“Spiel ist ein scheinbar funktionsloses Verhalten, das anders aussieht, als das entsprechende Ernstverhalten. Das Verhalten wird nicht stereotyp, sondern flexibel in immer neuen Variationen wiederholt, ist freiwillig, selbstbelohnend und macht Spaß. Es wird nur ausgeführt, wenn das Tier zufrieden ist und sich sicher und entspannt fühlt.”
Gordon M. Burghardt
Im Trust the Dog Club haben wir uns gemeinsam Videos angeschaut von “spielenden Hunden” und habe meine Einschätzungen zu dem Verhalten abgegeben.
Du möchtest dir anschauen, worüber wir im Trust the Dog Club zum Thema Spielverhalten gesprochen haben? Dann komm doch auch in den Club und schau dir die Aufzeichnungen an
Spielsignale
An verschiedenen Spielsignalen lässt sich erkennen, ob es sich um Spiel oder Ernst handelt. Ein wichtiges Signal, ob es sich um ein Spiel handelt, ist der Rollenwechsel.
Bei dem Rollenwechsel ist jeder Hund mal Jäger, mal Gejagter. Das ist ein Verhalten, was sich unabhängig vom Status im sozialen Gefüge zeigt.
Wird immer nur der eine Hund gejagt oder liegt auf dem Boden, dann ist das kein (schönes) Spiel. Hier gilt es unbedingt eingreifen, denn es gibt auch Mobbing unter Hunden.
Ein weiteres Spielsignal ist das Selbsthandicap. Hierbei nimmt sich der Hund, auch wenn er schon größer, schneller oder stärker ist, freiwillig zurück und drosselt sein Spiel. Er nutzt also seine Überlegenheit nicht aus. So ist es möglich, dass tolles Spiel trotz “ungleicher Gegebenheiten” entstehen kann.
Auch bei dem Spielsignal des Selbsthandicaps kommt wieder der Rollenwechsel ins Spiel. Denn jeder darf mal Sieger des Spiels sein und jeder Hund mal Verlierer, egal ob er nun faktisch der stärkere Hund ist oder nicht.
Ein weiteres Spielsignal ist die Verhaltensvarianz. Das bedeutet, dass im Gegensatz zu Ernstverhalten im Spiel häufig zwischen Verhaltensbausteinen, z.B. aus dem Jagd-, Kampf- oder Sexualverhalten hin- und her gewechselt wird. Auch die Wechselreihenfolge stimmt dann nicht mit der beim Ernstverhalten überein.
Beim Spielsignal Wiederholungen wird das Verhalten nicht nur gewechselt, sondern auch immer wieder neu wiederholt. So zeigt der Hund z.B. immer wieder die Spielverbeugung im Spiel, um dem Gegenüber zu signalisieren, dass er sein Verhalten immer noch spielerisch meint. Gerne wird die Spielverbeugung auch als eine Art “Entschuldigung” gezeigt, wenn der Hund zu grob war.
Wichtig: Nur weil keine Spielverbeugung gezeigt wird, heißt das nicht, dass es kein Spiel sein kann. Aber nicht jede Verbeugung ist auch ein Spiel. Es ist also wichtig, immer den Kontext mit einzubeziehen.
Das Spielsignal der Spieleinladung steht am Anfang eines jeden Spiels. Genauso wie gegebenenfalls deren Annahme. Die Spieleinladung kann dabei ganz subtil z.B. in Form eines Blickes stattfinden. Es ist aber auch möglich, dass ein Spielbellen, ein Anstupsen, ein Solitärspiel oder Wegrennen mit Blick zum Spielpartner oder auch die Spielverbeugung als Spieleinladung eingesetzt werden.
Beim Spielsignal Übertriebene Bewegung sind die Bewegungen der Hunde übertriebener als im Ernstverhalten. Sie wirken dadurch alberner. Gleichzeitig sind die Bewegungen aber auch weicher und weniger kraftvoll, während sie im Ernstverhalten steifer sind. So wird zum Beispiel oft der Kopf wild hin- und hergeworfen.
Ähnlich ist das Spielsignal des Spielgesichts. Dabei ist nicht nur die Gestik übertrieben, sondern auch die Mimik. Im echten Spiel wirst du dieses Spielgesicht häufig beobachten können. Dieser Blick wird dann gekonnt eingesetzt und der Partner wird nicht wie z.B. beim Drohen direkt fixiert, sondern der Blick geht leicht am Spielpartner vorbei.
Es gibt übrigens auch Spiellaute. So können Knurren und Bellen auch spielerisch eingesetzt werden.
Das Spielsignal der Verhaltenshemmung hängt auch mit dem Selbsthandicap zusammen. Wenn dabei z.B. im Spiel gebissen wird, dann passiert das nur gehemmt und nicht mit voller Kraft.
Im Spiel nehmen beide Spielpartner Rücksicht aufeinander. Es darf nur dann gröber gespielt werden, wenn beide Hunde das möchten, signalisieren und auch dann nur ohne das Ziel, den anderen zu verletzen.
Auch die Endhandlung wird in einem Spiel nicht vollführt. Dies wäre beim Jagen z.B. das Packen, Schütteln und Töten.
Beim Spielsignal Positive Emotionen lässt erkennen, ob der Hund überhaupt Spaß am Spiel hat. Echtes Spiel macht Spaß und allen beteiligten Sozialpartnern. Wenn dies aber offensichtlich nicht mehr der Fall ist, dann sollte der Hund aus dem “Spiel” genommen werden. Im echten Spiel respektiert das Gegenüber, dass der andere nicht mehr spielen will und lässt vom Spiel ab.
Regeln für den Sozialkontakt
Für den Sozialkontakt lassen sich einige einfache Regeln ausmachen, mit denen das Spiel zwischen Hunden gut funktionieren kann.
Das Setting
Es ist nicht nur wichtig, dass du erkennst, ob es sich um Spiel handelt. Wir Menschen spielen darüber hinaus eine wichtige Rolle dabei, ob es ein guter Sozialkontakt werden kann, denn wir bestimmen das Setting.
Hierauf solltest du unbedingt achten:
Besonders der erste Kontakt sollte unbedingt auf “neutralem Boden” für beide Spielpartner statfinden. Der Ort sollte so beschaffen sein, dass sich beide Hunde sicher und entspannt fühlen können.
Lasst die Hunde nicht direkt an der Leine “Hallo sagen”, leint sie aber auch nicht sofort ab und lasst sie aufeinander “zupreschen”. Geht lieber erst ein Stück gemeinsam, bis sich beide Hunde beruhigt haben und lasst sie dann ruhig in den Kontakt miteinander gehen.
Spielregeln
Sind die Hunde im Kontakt achtet darauf, dass ihr nicht nur miteinander sprecht und die Hunde unbeaufsichtigt machen lasst, was sie wollen. Es ist wichtig, dass ihr ein Auge auf die Spielsituation werft, um im Ernstfall direkt eingreifen zu können.
Wenn es nicht mehr nach Spiel aussieht, ruft eure Hunde direkt aus dem Kontakt. Macht das ruhig lieber einmal zu früh, bevor die Stimmung zwischen den Spielpartnern kippt und ein gemeinsames Spiel nicht mehr möglich ist.
Achtet auf die Erregungslage eurer Hunde, damit sie ansprechbar bleiben.
Wenn dein Hund zu dir kommt, schicke ihn nicht weg. Schicke unbedingt den anderen Hund weg, wenn er auch zu dir kommt. Du bist der “sichere Hafen” für deinen Hund, während der andere Hund zu seinem “sicheren Hafen” zurückkehren darf.
Auch wenn es ein objektiv schönes Spiel ist, lasst die Hunde nicht die ganze Zeit toben. Macht Pausen und geht auch mal an der Leine, damit sie sich erholen können.
Fazit
Mit ein bisschen Hintergrundwissen lässt sich vor allem anhand der Spielsignale feststellen, ob es sich bei dem Verhalten des Hundes um echtes Spiel handelt oder ob das Ernstverhalten zu befürchten ist. So kannst du, wenn du deine Beobachtungsgabe schulst, das Verhalten deines Tieres besser einschätzen und im Notfall direkt eingreifen.
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